Mit Straßenfotografie Geschichten erzählen.

Entdecke diese Form des ehrlichen Storytelling und nimm Schnappschüsse des Alltags auf der Straße auf.

Ein Motorrad, das nachts auf einer gepflasterten Straße fährt

Foto von Steve Simon

Straßenfotografie – was ist das?

Die Straßenfotografie ist eine Form des Storytelling, die den erlebten Alltag und die Vision des Künstlers über Fotos in die Welt transportiert. Wie beim Fotojournalismus sind die Bilder hier nicht gestellt, posiert oder geplant, und es kommen weder Models noch Studiobeleuchtung zum Einsatz. „Straßenfotografie ist oftmals eine Reaktion auf das Leben. Sie findet statt, wenn du eine Interaktion oder eine Person an einem bestimmten Ort siehst und das Ganze aufzeichnen willst“, erklärt der Fotograf und Professor Adam Long.

 

Da die Beleuchtung, die Motive und die Gelegenheit bei der Straßenfotografie zu einem erheblichen Teil vom Zufall abhängen, kann dieses Genre eine große Herausforderung darstellen. Aber genau diese Herausforderungen sorgen dafür, dass Straßenaufnahmen immer einzigartig sind. „Im Grunde musst du lernen, das, was du siehst, zu definieren und auf interessante Weise zu verfeinern“, erklärt der Fotograf Anthony Pidgeon. Ziel der Straßenfotografie ist, das Leben so, wie es geschieht, zu dokumentieren und zu untersuchen. Für Anfänger bietet dieses Genre eine gute Möglichkeit, ihre technischen Fähigkeiten zu verbessern und die eigene künstlerische Perspektive weiterzuentwickeln.

Paar, das sich beim Warten an der Bushaltestelle umarmt

Foto von Steve Simon

Den entscheidenden Moment beherrschen.

Der bekannte Straßenfotograf Henri Cartier-Bresson prägte den Begriff „entscheidender Moment“. Er bezieht sich auf das Fotografieren eines Augenblicks oder Ereignisses, das spontan ist, bei dem das Bild die Geschichte selbst erzählt. Bei der Straßenfotografie unterliegt die Umgebung nicht deiner Kontrolle – aber deine Kamera tut es. Du entscheidest, in welchem Moment genau das Foto aufgenommen wird. Der perfekte entscheidende Moment ist, wenn aus Straßenfotografie Storytelling wird.

 

Die Komposition und die Wahl des Bildausschnitts machen aus einem einfachen Schnappschuss eine besondere Aufnahme. „Manchmal möchtest du eine Geschichte erzählen, die sich tatsächlich vor dir abspielt. Und manchmal siehst du ein Motiv und willst mit diesem Bild eine Geschichte erzählen. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, und beide sind Straßenfotografie“, sagt der Fotograf Derek Boyd. Damit du die bestmöglichen Bilder aufnimmst, probiere aus, welchen Bildausschnitt du wählst, aus welchem Winkel du fotografierst, welches Licht du erfasst. All diese Aspekte dienen dazu, eine Geschichte zu erzählen. Welche Geschichte das ist, entscheidest du als Künstler.

Kind, das durch den Sand rennt, während sich im Hintergrund Vögel scharen

Foto von Dimpy Bhalotia

Tipps für den Einstieg in Straßenfotografie.

 

Mache dich mit den Einstellungen deiner Kamera vertraut.

Bei der Straßenfotografie hast du nur eine Chance, ein bestimmtes Foto aufzunehmen. „Es ist unheimlich wichtig, dass du die technischen Aspekte beherrschst. Es ist ja so: Du entdeckst ein cooles Motiv und musst dann in der Lage sein, es ganz schnell in ein Bild zu übertragen“, erklärt Pidgeon. Unter freiem Himmel ändern sich die Lichtverhältnisse sehr schnell. Daher musst du unbedingt wissen, wie du die Verschlusszeit, die Blende, den ISO-Wert und die Brennweite anpassen kannst, um mit der richtigen Belichtung zu fotografieren.

 

Wenn du möchtest, kannst du auch die Zeitautomatik nutzen. Dabei stellst du die Blende ein, und die Verschlusszeit und der ISO-Wert werden automatisch angepasst, damit die richtige Belichtung sichergestellt wird. In diesem Modus kannst du die Tiefenschärfe steuern. Wähle aber keine allzu hohe Blendenzahl aus – das birgt das Risiko, dass eine lange Verschlusszeit verwendet wird und jede unbeabsichtigte Bewegung der Kamera zu einem verschwommen Bild führt. Bewegung in deinem Foto auszudrücken mag ein erwünschter Effekt sein – aber stelle immer sicher, dass hinter deinen Entscheidungen eine Absicht steckt.

 

Beschränke dich auf leichtes Gepäck, um flexibel zu bleiben.

Nimm zur Straßenfotografie nur die Ausrüstung mit, die du tatsächlich brauchst. Wenn du zusätzliche Objektive und Stative mit dir herumschleppst, fällst du eher auf, was sich auf deine Fotos auswirkt. Wenn du Schnappschüsse des echten Lebens aufnehmen möchtest, solltest du die Menschen in deiner Umgebung nicht ablenken. Wenig Ausrüstung dabei zu haben trägt dazu bei, dass deine Bilder ungestellt sind.

 

Hier gilt dasselbe wie bei der Landschaftsfotografie: Wenn du kilometerweit mit deiner Kamera herumläufst, ist es auf Dauer ermüdend, noch mehr Gerätschaften tragen zu müssen. Nimm die Sachen mit, die du wirklich brauchst – z. B. eine Ersatzspeicherkarte für die Kamera – und lasse alles andere zu Hause.

Eine Mutter und ihr Kind, die nachts an einem Leuchtschild vorbeilaufen
Person, die Blumen in der Hand hält, mit Gebäuden im Hintergrund

Fotos von Steve Simon

Finde heraus, was dich inspiriert.

Bei der Straßenfotografie geht es darum, dass du in einen Ort eintauchst, egal, ob es sich dabei um ein berühmtes Wahrzeichen oder eine gemütliche Szenerie in einer Kleinstadt handelt. „Wenn ich etwas fotografieren will, schaue ich mir die Location vorher genau an. Wie sieht sie aus, wenn es bewölkt ist? Wie sieht sie aus, wenn die Sonne scheint? Sieht sie nachts besser aus als früh am Morgen?“, sagt Pidgeon. Wenn du Orte und Umgebungen findest, die dich inspirieren, kannst du interessantere Fotos aufnehmen.

 

Es lohnt sich auch, die Komfortzone zu verlassen und Straßenportraits aufzunehmen. Anstatt einfach „schnelle Schnappschüsse zu machen, spreche ich gerne mit den Menschen, um herauszufinden, was sie an diesem Tag vorhaben. Dann nehme ich ein Portrait von ihnen auf“, sagt Long. Bei der Straßenfotografie kannst du aus der Entfernung ungestellte Fotos von den Personen vor Ort schießen. Scheue aber nicht davor zurück, auch einmal auf sie zuzugehen und ein paar einfache Outdoor-Portraitfotos aufzunehmen.

 

Vergiss die Nachbearbeitung nicht.

Bei der Straßenfotografie sind Schwarz-Weiß-Bilder sehr gängig. Pioniere wie Joel Meyerowitz haben aber auch die Etablierung der Farbfotografie vorangetrieben. Aber wenn du draußen fotografierst, hast du keinen Einfluss auf die Umgebung. Wenn helle Beschilderungen oder störende Lichter vorhanden sind, die du nicht vermeiden kannst, fotografiere in Farbe und konvertiere die Bilder anschließend in Adobe Photoshop Lightroom in Schwarz-Weiß-Fotos. Das Format der Fotos bei der Nachbearbeitung zu ändern kann das Hauptaugenmerk des Betrachters lenken und die Geschichte betonen, die dein Bild erzählt. Die Bearbeitung eines Bildes kann die Geschichte vervollständigen oder die Aussage eines Fotos präzisieren.

 

Halte dich an die Regeln für öffentliche Plätze.

„Wenn man in der Öffentlichkeit unterwegs ist, muss man damit rechnen, fotografiert zu werden, ob von der Kamera auf einem Straßenschild oder am Geldautomat“, sagt Long. Das Fotografieren von Menschen und Objekten an öffentlichen Plätzen ist völlig legal, aber „ich denke, es ist wichtig, die Privatsphäre des Menschen zu beachten. Denn auch wenn es erlaubt und technisch möglich ist: Nicht jeder lässt sich gerne fotografieren“, sagt Pidgeon. Bei der Straßenfotografie geht es darum, das Leben abzulichten. Das solltest du aber respektvoll tun. Auf Privatgrund ist die Rechtslage dagegen anders. Wenn du auf Privatgrundstücken fotografierst, gelten andere Regeln. Hier musst du vorher um Erlaubnis bitten.

 

Lasse dich von der Straßenfotografie anderer Künstler inspirieren.

Für dich ist die Straßenfotografie vielleicht neu – gesehen hast du solche Bilder aber bestimmt schon einmal. Denke beispielsweise an Humans of New York. Diese Sammlung von Portraits und Interviews zeigt, welch tolle Geschichten man mit der Straßenfotografie erzählen kann. Wahrscheinlich sind dir auch die Werke von Walker Evans schon einmal begegnet. Er war Fotojournalist, der beauftragt wurde, die Realität der Weltwirtschaftskrise zu dokumentieren. Seine Bilder finden sich in zahlreichen amerikanischen Geschichtsbüchern und Fotografiebänden. Wenn du noch mehr Inspiration brauchst, beschäftige dich doch einmal mit den folgenden Künstlern.

Schwarz-Weiß-Foto einer Person, die am Strand die Hose anzieht
Schwarz-Weiß-Foto einer Person, die Kampfkunst mit einem Stock übt

Fotos von Dimpy Bhalotia

  • Die historische Straßenfotografie von Fan Ho aus dem Hongkong der 1950er und 1960 Jahre hält längst vergangene Augenblicke fest und zeigt uns den damaligen Alltag der Menschen.

  • Sehenswert sind auch die Straßenaufnahmen von Steve Simon – er bildet das Wirrwarr urbaner Landschaften übersichtlich ab und fängt auf einfühlsame Weise Szenen ein, die direkt aus dem Leben gegriffen sind.

  • Nach ihrer Karriere in der Modebranche widmet sich Dimpy Bhalotia nun voll und ganz ihrer Leidenschaft, der Straßenfotografie. Sie lichtet am liebsten spontane Szenen ab und verwandelt sie in schwarz-weiße Kunstwerke.

  • Terence Pang zeigt mit seinen Fotos die farbenfrohen chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten. Durch das Fotografieren zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahresverlauf kann er sich dem entscheidenden Moment aus einer neuen Perspektive nähern.
     

Die Straßenfotografie ist für Künstler eine großartige Möglichkeit, eine neue Form der Fotografie und des Storytelling auszuprobieren. Die Welt so abzubilden, wie sie ist, vermittelt Wahrheit und Realität. Mit diesen Tipps bist auch du in der Lage, solche ungestellten Fotos aufzunehmen und mit ihnen spannende Geschichten zu erzählen. Und das Gute ist: Du brauchst dafür gar nicht viel Zeit. Wenn du deine Kamera unterwegs immer dabei hast, bist du jederzeit bereit, entscheidende Momente einzufangen.

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