Wie Leitlinien das Auge führen.
Mit der leitlinienbasierten Fotografie kannst du auf einzigartige Weise die Aufmerksamkeit auf das Motiv deiner Fotos ziehen. Entdecke diese Technik und probiere sie bei deinem nächsten Shooting für dich selbst aus.
Zeige den Weg mit Leitlinien.
„Leitlinien sind eine kompositionelle Technik, bei der vom Menschen gefertigte oder natürliche Linien das Auge des Betrachters durch ein Foto auf das Motiv oder zum Herzen des Bilds leiten“, erklärt Fotograf Lukas Kosslow. „Sie können auffällig oder dezent sein.“ Dieses kompositionelle Tool hilft Fotografen dabei, den Fokus des Fotos zu lenken, Ausgeglichenheit zu schaffen und mit dem Bild eine Geschichte zu erzählen.
Genau wie die Drittel-Regel sind Leitlinien ein kompositionelles Element, das für alle Arten der Fotografie verwendet werden kann, angefangen von Porträts bis hin zu Landschaftsaufnahmen. Leitlinien können alles Mögliche sein. Dabei kann es sich um eine Straße oder eine Baumreihe handeln, die dich zu einem Ziel führen. Es können Menschen und wiederkehrende Objekte wie Eisenbahngleise sein“, sagt Fotograf Felipe Silva.
Und obwohl viele Fotos unbeabsichtigt Linien enthalten, die einen speziellen Anziehungspunkt hervorheben, sind beabsichtigte Linien und Kompositionen das, wodurch sich die stärksten Bilder auszeichnen. Ganz gleich, ob du fette, gerade oder elegante, gekrümmte Linien verwendest, Leitlinien können deine Komposition auf eine neue Ebene bringen und für eine einzigartige Ästhetik in deinen Fotos sorgen.
Verschiedene Arten von Leitlinien
Horizontale Linien
Denkt man an horizontale Linien, fällt einem sofort der Horizont ein. „Horizontale Leitlinien werden meistens in der Landschaftsfotografie verwendet. Dabei kann es sich um einen Pfad oder eine unbefestigte Straße handeln, die zu einem Fluss oder umgefallenen Baum führt. Sie vermitteln ein Gefühl von Stabilität. Sie sind dauerhaft und man kann sich auf sie verlassen“, erklärt Silva. Sei jedoch vorsichtig bei horizontalen Linien, die die Aufmerksamkeit des Betrachters vollständig von der Seite weg lenken, sofern dies nicht deine Absicht ist.
Bilder von Felipe Silva
Vertikale Linien
Vertikale Linien leiten das Auge des Betrachters zum oberen oder unteren Bildrand. „Vertikale Linien vermitteln Kraft und Selbstvertrauen. Daher sieht man viele vertikale Leitlinien in der Modefotografie, bei Porträts und in der Straßenfotografie“, sagt Silva. In vom Menschen geschaffenen Umgebungen trifft man auf viele vertikale Linien wie Lichtmasten und Fensterscheiben.
Diagonale Linien
Wenn du es auf eine mitreißende Komposition abgesehen hast, ziehe diagonale Linien in Betracht. „Sie vermitteln ein Gefühl der Bewegung und Veränderung, sind jedoch auf Fotos nicht häufig anzutreffen. Diagonale Linien betonen oftmals den Abstand zwischen Vorder- und Hintergrund“, merkt Silva an.
Wenn sich Linien treffen und kreuzen, können sie den Betrachter innehalten lassen. Sie können auch verwendet werden, um Spannung und einen Konflikt zu erzeugen oder den Fokus des Fotos zu verschieben. Wenn sich Linien aus dem Vorder- und Hintergrund treffen, sorgen Sie für ein Gefühl von Tiefe oder Distanz. Der Fluchtpunkt bzw. der Punkt, an dem eine Straße auf den Horizont trifft, ist ein Beispiel für einen Konvergenzpunkt.
Gekrümmte Linien
Natürliche, gewundene Linien kommen am häufigsten in Landschaftsfotos vor. „Die besten Leitlinien sind meiner Meinung nach die gekrümmten, weil sie das Auge des Betrachters durch das gesamte Bild mitnehmen können“, sagt Kosslow. Ganz gleich, ob es sich um krumme Blütenstängel oder sanft geschwungene Hügel handelt – gekrümmte Linien können überzeugende Landschaftsfotografien erzeugen.
So findest du deine Linien:
Plane im Voraus.
Wenn du in deiner Aufnahme Linien verwenden möchtest, wähle den Standort mit Bedacht. Plane dein Shooting so, dass Brücken, Straßen, Gehwege oder Eisenbahnschienen vorhanden sind, damit die Komposition starke gerade Linien beinhaltet. Gewässer, Wanderwege, Baumreihen und Schneewehen können natürlichere, gekrümmte Linien erzeugen. Wenn du anfangs Schwierigkeiten hast, sieh dir einfach die Umgebung an und untersuche die sichtbaren Texturen und Muster.
Rücke das Motiv in den Fokus.
Leitlinien sollten immer auf das Hauptmotiv deines Fotos zeigen und die Aufmerksamkeit des Betrachters lenken. Damit du diese Kompositionstechnik effektiv nutzen kannst, solltest du dein Motiv dort platzieren, wo die Linien hinzeigen oder zusammenlaufen. Wenn du ein Shooting für Modefotografie durchführst, sind die Kleidung und das Model der Fokus des Fotos. Bei der Architekturfotografie „suchst du erst das Gebäude, also dein Motiv, und arbeitest dich dann zurück. Du gehst um das Gebäude herum und suchst nach Linien, die zu ihm hinführen. Man möchte dem Betrachter zeigen, was man selbst sieht. Gleichzeitig möchte man seinen Blick lenken“, erklärt Silva.
Sei spontan.
Obwohl Leitlinien oftmals planbar sind und ausgekundschaftet werden können, trifft man mitunter spontan auf sie. Behalte die Umgebung im Blick, teste verschiedene Fotokompositionen, und nähere dich deinem Motiv aus eindeutigen Winkeln an. Wenn du etwas Neues versuchst, findest du möglicherweise unerwartete Linien.
Kompositionstipps für beeindruckende Fotos.
Beginne mit deinem Telefon.
Die leitlinienbasierte Fotografie erfordert oftmals ungewöhnliche Kamerapositionen und seltsame Winkel, um die gewünschte Aufnahme zu bekommen. Nimm mit deinem Telefon einen spontanen Schnappschuss des Bildes auf, und passe dann deinen Standort und deine Position an, um ihn bzw. sie zu optimieren. Dadurch kannst du dich frei bewegen, um exakt die gewünschte Komposition zu erhalten, ohne ständig eine sperrige Kamera samt Stativ anpassen zu müssen. „Mit dem Telefon erhält man eine Vorstellung davon, wie das Foto aussehen wird, bevor man Zeit in das vollständige Shooting investiert“, sagt Silva. Wenn die richtige Position gefunden wurde, ist es an der Zeit für den Wechsel zur Kamera.
Denke über deine Kameraeinstellungen nach.
Beachte die Blende, die ISO-Einstellung und die Verschlussgeschwindigkeit, wenn du das Shooting vorbereitest. Mit einer größeren Blende kannst deinem Foto den Anschein einer Perspektive verleihen, indem du eine schwächere Tiefenschärfe wählst. Das kann dabei hilfreich sein, die Aufmerksamkeit auf das Hauptmotiv oder den Fokus des Bildes zu lenken. Achte jedoch darauf, dass die Tiefenschärfe nicht zu schwach ist. Andernfalls kann die Gesamtkomposition darunter leiden, und die Stärke der Leitlinien in deinem Bild kann verloren gehen.
Teste verschiedene Objektive, um deine Fotos auf eindeutige Art und Weise zu variieren. Wenn du ein Weitwinkelobjektiv hast, kannst du beispielsweise weitere Linien in die Aufnahme integrieren.
Bilder von Lukas Kosslow
Denke über die Beleuchtung nach.
Die Tageszeit der Aufnahme ist wie immer wichtig. Dass gilt insbesondere dann, wenn du draußen nach natürlichen Leitlinien suchst, anstatt sie im Studio zu erstellen. Die natürliche Beleuchtung der Linien kann ihre Stärke und die Stimmung beeinflussen, und Schattenvariationen können deinen Bildern einen völlig neuen Look verleihen.
„Ich hatte die Gelegenheit, in einen Helikopter zu steigen und Fotos von Pittsburgh zu machen. Es war gerade Sonnenaufgang, und wir umkreisten die Stadt. Als die Sonne aufging, warf sie lange Schatten hinter die Gebäude, die das Auge direkt auf die Stadt lenkten“, sagt Kosslow. Natürliches Licht ist einzigartig, und durch das sich ändernde Wetter und die sich ändernde Tageszeit macht man niemals zweimal dasselbe Foto.
Leitlinien können beim Kreieren interessanter, überzeugender Fotos helfen. Halte also die Augen offen nach Linien in den Wolken, Bäumen, Gebäuden und Flüssen, und schon bis du möglicherweise auf dem Weg zu einem Meisterwerk.
Mitwirkende.
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