Einführung in das Arbeiten mit geringer Tiefenschärfe.
Entdecke, wie du Fotos durch geringe Tiefenschärfe eine zusätzliche Dimension verleihst.
Gute Fotos erzählen immer eine Geschichte. Ob mittels Motiv, künstlerischer Herangehensweise oder Technik: Es gibt unzählige Methoden, mit denen du deine Geschichte herausarbeiten kannst. Dazu gehört auch die Tiefenschärfe oder Schärfentiefe.
Was ist eine geringe Tiefenschärfe?
Bei einer Aufnahme mit geringer Tiefenschärfe ist „eine Ebene im Fokus, und alles drumherum liegt außerhalb des Fokus“, erläutert der erfahrene Fotograf Jeff Carlson. Dieser Effekt wird durch die Blendenöffnung erreicht. „Wenn du eine große Blende verwendest, lässt das Objektiv mehr Licht hinein“, sagt Carlson. „Je mehr Licht einfällt, desto geringer ist die Tiefenschärfe.“
Eine geringe Tiefenschärfe wird durch eine Aufnahme mit niedrigem Blendenwert erreicht, bei dem mehr Licht durch das Objektiv fällt – von f/1,4 bis etwa f/5,6. Die passende Blende hängt davon ab, wie tief die Fokusebene sein soll. Je nach Motiv und Bereich des Fokuspunkts kann der Vordergrund oder der Hintergrund des Fotos unscharf werden. Mit einem kleineren Blendenwert, also einer größeren Öffnung, gelangt mehr Licht in die Kamera. Die Belichtungszeit muss deshalb recht kurz sein, damit das Foto nicht überbelichtet wird oder die hellen Bereiche ausbrennen. Für eine erfolgreiche Aufnahme mit geringer Tiefenschärfe solltest du die Beziehung zwischen den Einstellungen der DSLR-Kamera verstehen: Blende, Verschlusszeit, Brennweite und ISO. Je größer z. B. die Brennweite, desto geringer die Tiefenschärfe.
Eine weitere Methode zum Erzielen einer geringen Tiefenschärfe ist eine größere Entfernung zwischen Kamera, Motiv und Hintergrund. Auch wenn dein Objektiv keine große Blende wie f/1,4 hat, kannst du einen entsprechenden Effekt erzielen. Dazu musst du dich vom Motiv entfernen und es dann heranzoomen oder sicherstellen, dass es sich deutlich vom Hintergrund abhebt. Bei einer Person, die sieben Meter von einer Baumgruppe entfernt steht, wird der Hintergrund weicher gezeichnet als bei einer Person, die sich an einen der Bäume oder an eine Wand lehnt.
Wo und wann ist eine geringe Tiefenschärfe sinnvoll?
„Für Einsteiger in der Fotografie ist die geringe Tiefenschärfe eine der einfachsten Methoden, um ein Motiv hervorzuheben“, meint Fotograf Derek Boyd. Du lenkst damit die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das wichtige Element des Bilds. Indem du einen Punkt hervorhebst und den Rest der Komposition leicht unscharf zeichnest, stärkst du die Aussage deines Fotos. Du kannst auch „einen Bildbereich aus dem Fokus nehmen und so das Interesse an dem unscharfen Bereich wecken“, sagt Fotograf Stephen Klise. Ein leicht unscharfes Motiv kann einem Bild Tiefe verleihen und Neugier wecken.
Auch Fotografin Hannah Concannon meint: „Durch geringe Tiefenschärfe kannst du einen interessanten Teil des Bilds betonen. Zum Beispiel wollte ich vor einigen Monaten Aufnahmen von einem Blumenstrauß machen. Dabei habe ich diese kleinen Plastikfliegen entdeckt. Ich habe einfach eine Fliege in den Strauß gesteckt und versucht, sie zu fokussieren. Die Tiefenschärfe habe ich nur auf die Fliege ausgerichtet.“ Eine geringe Tiefenschärfe kann die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen und Unerwartetes hervorheben.
Cheryl Medow arbeitet mit geringer Tiefenschärfe beim Fotografieren von Vögeln in ihrem natürlichen Lebensraum. Dadurch stehen die Vögel im Fokus, während die jeweiligen Hintergründe verschwimmen. Auf diese Weise kann Medow das Motiv freistellen und interessante, sogar surreale Kompositionen erstellen.
Unscharfe Hintergründe können jedoch nicht nur für Kompositionen verwendet werden. Carlson erzählt folgende Anekdote: „Du fotografierst in der Natur, und auf einmal fällt dir etwas auf. Eine Blume, Person oder Sehenswürdigkeit. Unsere Augen funktionieren so: Wir fokussieren uns auf das Motiv und denken, das ist ein interessantes Bild. Also machst du ein Foto, bist glücklich und gehst weiter. Später schaust du dir die Aufnahme an und siehst, dass du keinen guten Überblick über die Szenerie gehabt hast. Die Blume ist zwar gut zu sehen, aber vielleicht auch ein überquellender Abfalleimer im Hintergrund, den du gar nicht bemerkt hast, weil du dich nur auf das Motiv konzentriert hast.“
In diesem Fall ist eine geringe Tiefenschärfe hilfreich. Damit kannst du auf das Wesentliche fokussieren und die störenden Objekte einfach unscharf machen..
Tiefenschärfe bei Porträts.
„In der Porträtfotografie ist geringe Tiefenschärfe ein großes Thema“, sagt Klise. Bei Porträtfotos geht es oft um die Betonung bestimmter Merkmale in einem Gesicht. Eine geringe Tiefenschärfe rund um die Augen einer Person etwa kann nützlich sein, wenn der Betrachter eine direkte Verbindung zu dieser Person aufbauen soll. Außerdem können ablenkende Details im Hintergrund entfernt werden. Die geringe Tiefenschärfe bei Porträts wird jedoch „oft aufs Geratewohl eingesetzt“, meint Klise. Wenn der Fokus nur auf der Nase liegt, wurde das Ziel verfehlt und eine Verbindung zwischen Betrachter und Motiv erschwert.
In einer schwach beleuchteten Umgebung kann es sein, dass du für ausreichende Belichtung Blende 1,4 einstellen musst. Das führt jedoch zu einer geringen Tiefenschärfe und birgt die Gefahr, dass das Motiv unscharf wird. Diese unbeabsichtigte geringe Tiefenschärfe kannst du beheben, indem du den Blendenwert auf 5,6 oder 8 erhöhst, sodass die porträtierte Person vollständig im Fokus ist. Allerdings ist bei dieser Blende vielleicht zusätzliches, künstliches Licht erforderlich, um eine ausreichende Belichtung zu erhalten. Art Director und Fotograf Alex Tan schlägt daher vor, dass „Einsteiger die Möglichkeiten der künstlichen Ausleuchtung wie Blitzanlage und Dauerlicht verstehen und erlernen sollten.“ Lasse dich nicht von dem Thema der künstlichen Ausleuchtung überwältigen. Betrachte es einfach als eine Chance zum Lernen. Wenn dir gute Beleuchtungsmittel zur Verfügung stehen, hast du alle Optionen an der Hand, um Aufnahmen mit genau der Tiefenschärfe zu machen, nach der du suchst.
Herausforderungen der geringen Tiefenschärfe.
Bei der Nutzung dieses Effekts sollte man nicht übertreiben – die Tiefenschärfe kann auch zu gering sein. Zusätzlich wird er „von manchen Fotografen einfach zu oft eingesetzt“, meint Boyd. Verwende die Technik mit Bedacht. Wenn all deine Aufnahmen im selben Stil sind, verkümmert deine Kreativität. Und wenn der Betrachter zu stark gelenkt wird, können Bilder uninteressant werden. Wenn auf deinem Foto nur ein interessantes Element zu sehen ist, fehlt möglicherweise das Narrativ – die Geschichte hinter dem Bild.
Eine weitere Herausforderung bei der Tiefenschärfe besteht darin, dass der Fokusbereich ausreichend groß und richtig positioniert sein muss. Boyd erläutert: „Ich empfehle Belichtungsreihen, auch Bracketing genannt. Dabei machst du mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Blenden, also z. B. eine Aufnahme mit f/1,2, eine mit f/1,8, eine mit f/2,0 und so weiter. Im besten Fall ist auf einem der Fotos das Motiv komplett im Fokus und alles andere nicht.“ In der Porträtfotografie sind Belichtungsreihen besonders hilfreich, denn durch diese Technik ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auf einer der Aufnahmen das gesamte Gesicht der porträtierten Person im Fokus ist.
„Wenn du genau wissen willst, welches Ergebnis dir eine geringe Tiefenschärfe bringt, musst du den Fokus der Kamera manuell einstellen und ggf. zoomen“, rät Boyd. Die meisten Kameras fokussieren automatisch auf Gesichter, können jedoch von kontrastreichen Bereichen auf dem Bild abgelenkt werden. Mit dem manuellen Modus deiner DSLR-Kamera hast du volle Kontrolle über die Positionierung des Tiefenschärfebereichs.
„Wenn du genau wissen willst, welches Ergebnis dir eine geringe Tiefenschärfe bringt, musst du den Fokus der Kamera manuell einstellen und ggf. zoomen.“
Verwende für Bilder mit geringer Tiefenschärfe kein Weitwinkelobjektiv. Es eignet sich viel besser für große Tiefenschärfe, bei der die gesamte Szene scharf sein soll, etwa in der Landschaftsfotografie. Um Fehlschläge zu vermeiden, solltest du eine eher große Brennweite verwenden.
Wege zur guten Fokussierung.
Erfahrung bringt dich voran. Um dich mit den technischen Aspekten der geringen Tiefenschärfe vertraut zu machen, musst du einfach hinausgehen und fotografieren. Carlson rät: „Verwende den manuellen Modus oder die Blendenvorwahl.“ Er empfiehlt Einsteigern, ein einfaches Motiv zu wählen und mit Belichtungsreihen zu experimentieren. Nimm dasselbe Bild mit verschiedenen Blenden auf, und sieh dir anschließend die Unterschiede an. Prüfe in jedem Bild die Detailgenauigkeit und den Schärfebereich.
Eine weitere Methode zur Verbesserung der geringen Tiefenschärfe ist die Konzentration auf das Narrativ des Fotos. Gibt es ein wesentliches Motiv für die Geschichte, die dein Bild erzählen soll? Experimentiere mit geringer und mit großer Tiefenschärfe. Prüfe, wie dadurch das Narrativ verändert wird. Letzten Endes geht es bei der Fotografie immer um das Erzählen einer Geschichte. Mit Techniken wie der geringen Tiefenschärfe kannst du das Narrativ priorisieren und ausschmücken. Wenn die Tiefenschärfe bei der Aufnahme nicht perfekt ist, kannst du sie durch Nachbearbeitung noch etwas korrigieren. Zum Einstieg solltest du das Tutorial zur Auswahl der Bildbereiche im Fokus in Photoshop lesen. Je besser du diese einfachen Tools verstehst, desto besser kannst du die Weichzeichnung und Tiefenschärfe in deinen Fotos korrigieren.
Du kennst jetzt den Hintergrund der geringen Tiefenschärfe sowie schon einige Tipps und Tricks. Wenn du mit dieser Technik arbeitest, kannst du viele deiner gestalterischen Visionen realisieren. Das Arbeiten mit geringer Tiefenschärfe gehört zu den Dingen, die Fotografen kennen und beherrschen sollten. Es sollte jedoch nicht zur deiner Standard-Blendeneinstellung werden, denn allzu leicht gerät dein Motiv durch eine versehentliche Bewegung aus der kleinen Fokusebene heraus. Wenn du mehr über die Einsatzmöglichkeiten der geringen Tiefenschärfe lernen möchtest, solltest du dich über Makrofotografie informieren. Bei Nahaufnahmen ist die Tiefenschärfe immer sehr gering. Ansonsten solltest du den Fokus sorgfältig auswählen und einfach mit der Technik experimentieren.
Mitwirkende.
Stephen Klise, Jeff Carlson, Derek Boyd, Alex Tan, Hannah Concannon
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