Was ist chromatische Aberration und wie verhinderst du sie?
Die sogenannte „Farbbrandbildung” oder auch der „Farbquerfehler“ ist eine Farbverzerrung, die auf Fotos an Umrissen von Objekten entsteht. Diese oftmals schmalen, bunten Linien zeigen sich besonders bei Aufnahmen von starken Kontrasten oder bei schwacher Beleuchtung.
Jedoch kannst du die chromatische Aberration selbst bei trickreichen Lichtverhältnissen umgehen. Daher erklären wir dir, wie sie entsteht und wie du sie fototechnisch mit etwas Geschick und den richtigen Tools reduzieren oder gar beheben kannst. Tatsächlich kann diese “Fotopanne” auch einen gewünschten Effekt in der Kunstfotografie erzeugen und Bildern einen bestimmten Retro-Effekt verleihen.
Was dich erwartet:
- So lässt sich chromatische Aberration vermeiden
- Chromatische Aberration entfernen: Tipps für die Nachbearbeitung
- So nutzt du chromatische Farben für besondere Effekte
Chromatische Aberration vermeiden
Die chromatische Aberration ist auf Fotos als Verfärbungen am Rand von Objekten sichtbar. Sie ist ein häufiges Problem bei Linsen und tritt auf, wenn Farben von der Linse falsch gebrochen werden. Das führt zu einer Fehlanpassung im Brennpunkt, wo sich die Farben nicht so kombinieren, wie sie sollten.
Jede Farbe verhält sich dabei anders. So treffen sie beim Fotografieren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und somit auch zu unterschiedlichen Zeiten auf die Linse der Kamera. Ein Prisma zerstreut sie und daraufhin bilden sie solche Verfärbungen in Regenbogenfarben.
Jede Wellenlänge eines Strahls sollte im Idealfall exakt denselben Punkt auf dem Sensor treffen, realistisch ist dies jedoch nicht immer möglich. Das Design der Linsenelemente weist immer kleine Defekte auf: Selbst bei noch so professionellen und hochwertigen Kameras gibt es Unstimmigkeiten am Fokuspunkt, und die Farben kombinieren sich nicht wie gewünscht. Dieses Phänomen kannst du auch an der unteren Darstellung erkennen.
Jede Linse kann chromatische Aberrationen auslösen, während sie abhängig von der Qualität der Kamera mehr oder weniger ersichtlich sind.
Doch ganz gleich, mit welcher Kamera du arbeitest, kannst du chromatische Farben am Rand deiner Objekte mit einigen wichtigen Tricks vermeiden oder stark reduzieren:
· Vermeide starke Kontraste.
Leider gibt es keine Kameraeinstellung und keinen Filter, mit dem du chromatische Aberration komplett vermeiden kannst. Allerdings lässt sie sich beim Fotografieren reduzieren, wenn du einige wichtige Tipps beachtest.
Am ehesten tritt sie an starken Kontraststellen auf, sei es vor weißem Hintergrund, bei starkem natürlichem Gegenlicht oder wenn sich die Lichtquelle hinter einem Motiv befindet.
Wird der Fehler sofort bemerkt, macht es oft mehr Sinn, das Objekt oder die Szene neu zu fotografieren, als diese später nachzubearbeiten.
Dabei kannst du:
- Den Hintergrund variieren
- Lichtquellen anders platzieren
- Auf bessere Lichtverhältnisse im Freien warten
- Deine Kamera in den RAW-Modus stellen
- Mit Blitzlicht fotografieren
- Die automatischen Kontrastanpassung in deiner Kamera einstellen
Beachte, dass du Bilder auch bei noch so professionellen Fotos eventuell nachbearbeiten musst, wenn du die Einstellungen änderst und deine Kamera beispielsweise in den RAW-Modus stellst.
Die richtige Brennweite wählen.
So sehr flexible Brennweiten den fotografischen Prozess vereinfachen, haben die meisten Zoomobjekte in einem sehr kurzen und sehr langen Fokusbereich Probleme mit chromatischer Aberration. Oft kannst du diesen Abbildungsfehler ganz einfach mit der Wahl einer anderen Brennweite vermeiden.
„Ich musste diese Schritte immer wieder wiederholen, bis es in Fleisch und Blut überging. Wenn man lange daran arbeitet, wird das Auge irgendwann zum Lichtmessgerät. Man begreift immer mehr, welcher Einstellungen es bedarf, um einen bestimmten Effekt zu erzielen“ – Carli Davidson
Fotograf und Dozent Adam Long
Statt ein Zoomobjektiv zu wählen, das ohnehin leichte Bildstörungen verursacht, solltest du mit einem hochwertigen Weitwinkelobjektiv fotografieren. Allerdings neigen auch Weitwinkelobjektive mit kürzeren Brennweiten zur Bildung von Farbrändern.
Eine schlaue Alternative ist es, die Brennweite zu verringern, mehrere Fotos zu machen und diese später zu einem Panoramabild zusammenzufügen.
Blende und Verschlusszeit variieren.
Vermeide unschöne Farbränder und verkleinere dazu einfach die Blende. Gleichzeitig musst du auch die Verschlusszeit und ISO entsprechend anpassen. Ansonsten riskierst du einen ungewollten Lichtverlust, vor allem bei natürlichen Lichtquellen.
Generell empfiehlt es sich: vermeide hohe Blendenzahlen und wähle eine dementsprechend geringere Blendenöffnung.
Auch die Qualität des Objektivs spielt eine Rolle – günstigere Modelle neigen eher zu Linsenfehlern. Wer bei solchen Modellen mit weiter Blendenöffnung fotografiert, muss mit einer chromatischen Aberration in seinen Fotos rechnen.
Bei einer Blendenöffnung von 1,8 ist die Farbeverzerrung wahrscheinlicher. Jedoch stehst du bei einer Blendenöffnung von 5,6 auf der sicheren Seite.
Unser Tipp: Neben höheren ISO-Werten bei geringer Blendenöffnung kannst du die Belichtung auch optimieren, indem du mit Blitzlicht fotografierst oder mit längeren Verschlusszeiten arbeitest.
Fokuspunkt optimieren.
Chromatische Farben entstehen vor allem am Bildrand. Das liegt an der Krümmung der Linse. Somit reduzierst du Farbränder stark oder vermeidest sie sogar komplett, wenn du dein Motiv mittig ansetzt.
Unser Tipp: Wenn du ein Motiv aufgrund von fotografischen Effekten nicht in der Mitte fotografieren möchtest, kannst du mehrere leicht versetzte Bilder aufnehmen und diese später in einer Nachbearbeitung zusammenfügen oder zuschneiden.
Generell ist es sinnvoll, chromatische Aberrationen bereits beim Fotografieren zu vermeiden. Das spart später Zeit bei der Nachbearbeitung:
„Am besten verhindert man das natürlich schon beim Fotografieren selbst“
- Modefotograf Adam Rindy
Fazit: Wähle hochwertige Objektive und erstelle Aufnahmen mit kleinen Blendenöffnungen und Weitwinkelobjektiven mit kurzen Brennweiten. So kannst du die chromatische Aberration schon beim Fotografieren vermeiden. Jedoch kannst du diesen Abbildungsfehler auch mit einer Nachbearbeitung entfernen. Dazu verraten wir dir die besten Tipps, mit denen du im Nachhinein eine chromatische Aberration entfernen kannst.
Chromatische Aberration entfernen: Tipps für die Nachbearbeitung
Ist der Fehler bereits passiert und die unschönen Farbränder auf dem Foto deutlich zu erkennen, kannst du diese auch bei einer Nachbearbeitung entfernen. Besonders Adobe Lightroom, aber auch Premiere Pro und After Effects verfügen über diverse intelligente Funktionen, um den Effekt zu verringern oder komplett zu beheben.
Verschiedene Funktionen von Adobe Lightroom, um eine chromatische Aberration zu entfernen, sind:
Farbsaumentfernung
Die „Farbsaumentfernung“ erkennt und entfernt Farbsäume entlang kontrastreicher Kanten. Dabei eignet sich diese Option vor allem für lilafarbene und grüne Farbsäume, die durch chromatische Aberration entstanden sind.
Die Nutzung dieser Funktion ist einfach:
- Klicke auf das Symbol Farbsaumentfernung im Bedienfeld Optik.
- Verwende die Funktion Farbsaumauswahl, um die grünen und lilafarbenen Farbtöne im Foto aufzunehmen und Ränder entsprechend zu entfernen.
Die Bearbeitung kann auch lokal über den Farbsaum-Regler erfolgen, zu finden im lokalen Bedienfeld:
Korrekturpinsel > Linearer Verlauf oder radialer Verlauf
Chromatische Aberration entfernen
Daneben existiert auch die spezielle Funktion „Chromatische Aberration entfernen“, die allerdings nicht alle Farbränder erkennen und beseitigen kann. Mit der Pipette wird hier der problematische Bereich aufgenommen und kann entfernt werden.
Du solltest darauf achten, dass Probleme in anderen Bildbereichen entstehen könnten, wenn sie den gleichen Farbton besitzen. Das kannst du lösen, indem du die Intensität der Korrekturpipette reduzierst. Jedoch verhindert das wiederum eine komplette Korrektur der lokalen Aberration.
Objektivkorrektur
Eine dritte Alternative besteht im Beheben von Objektivverzerrungen. Farblängsfehler, auch axiale oder longitudinale chromatische Aberration genannt, entstehen oft dann, wenn Bilder mit großer Blendenöffnung (also niedriger Blendenzahl) gemacht werden.
Diese kannst du mit den verschiedenen Versionen von Lightroom bearbeiten:
Lightroom Classic: Mit dem Kontrollkästchen kannst du seitliche chromatische Aberrationen und Farbsäume in Blau-Gelb und Rot-Grün entfernen.
Lightroom 4.1 und höher: Mit dem Farbsaumregler kannst du lila-/magentafarbene und grüne axiale Aberrationen korrigieren.
So nutzt du chromatische Farben für besondere Effekte
Werden chromatische Farben immer als Abbildungsfehler gesehen? Absolut nicht: die chromatische Aberration kann auch besonders für Retro- und andere Farbeffekte genutzt werden. Selbst in Filmen, Video- und Computerspielen, wie in „Alien: Isolation“ oder „Layers of Fear“, wird die chromatische Aberration gerne und oft als Effekt genutzt.
In Adobe Photoshop, Premiere Pro oder After Effects kannst du mit chromatischen Farben in deinen Bildern und Videos kreative und moderne Kunstwerke erschaffen. Versuche dich am RGB-Splitting und trenne die Farbkanäle Rot, Grün und Blau auf oder spiele mit den Farbrändern.
„Chromatische Aberration kann eine gewisse Unruhe oder eine psychologische Perspektive in einem Bild eröffnen.“
- Adam Long
3D-Eindruck und Retro-Charme
Chromatische Aberration kann genutzt werden, um Bildern einen 3D-Effekt zu verleihen und diese realistischer erscheinen zu lassen.
Am besten setzt du diese Technik erst am Ende deiner Fotobearbeitung ein, damit du den Effekt nicht noch nachbearbeiten musst.
Anleitung für die Erstellung von Retro 3D-Effekten in Photoshop:
- Lege eine neue Ebene an oder starte ein neues Projekt
- Stelle sicher, dass du nur mit einer Ebene arbeitest und dupliziere sie
- Klicke auf die Einstellung „Erhellen“ und entscheide, mit welchen chromatischen Farben du den Effekt erstellen möchtest
- Wähle die erste Ebene und verschiebe den Farbregler der ausgewählten Farben, bis das gewünschte Ergebnis erzielt ist
- Setze bei dem Duplikat die andere Farbe auf 0
Beispiel: Wenn du dich bei der ersten Ebene für die Farben grün und rot entschieden hast, setzt du die
Farbe Blau bei dem Duplikat auf 0
- Benenne die Ebenen
- Verschiebe deine chromatischen Farben, sodass sie mehr oder weniger sichtbar sind
Unser Tipp: Experimentiere mit verschiedenen Farben, um zu sehen, welche am besten zu dem Motiv und der Szene passen.
Psychedelische Video-Effekte mit Premiere Pro
Mit dem RGB-Split Effekt in Premiere Pro und dem Glitch Effekt in After Effekts kannst du deinen Videos einen modernen Look verleihen, Videoübergänge dynamischer gestalten oder auch eine gewisse Unruhe in eine Szene bringen.
Mit dieser Anleitung zeigen wir dir, wie du in 10 einfachen Schritten psychedelische Video-Effekte mit dem RGB-Split in Premiere Pro erstellen kannst:
- Bereite deine Sequenz vor und markiere mit der rechten Maustaste die Zeitspanne, in welcher dein Videoclip den Effekt zeigen soll
- Drücke ALT und schiebe den ausgewählten Clip auf die Ebene darüber
- Wiederhole den Vorgang dreimal, sodass der Videoclip auf insgesamt vier Ebenen zu sehen ist
- Klicke auf den Arithmetik-Effekt und ziehe ihn auf die drei Kopien deines Videoclips
- Gehe auf Fenster > Effekteinstellung, klicke auf die erste Kopie deines Videoclips und ziehe den Rot-Wert in den Effekteinstellungen nach rechts
- Wiederhole den Vorgang mit dem Grün-Wert in der zweiten und dem Blau-Wert in der dritten Kopie des Videoclips
- Stelle bei allen Kopien den Operator auf „Maximum“
- Klicke auf Deckkraft > Überblendmodus und schalte diesen auf „Linear abwedeln“ bei den ersten beiden Kopien
- Klicke auf deine erste Kopie und auf „Position“ in den Effekteinstellungen und verschiebe dein Bild
- Wiederhole den Vorgang mit der zweiten Kopie
Unser Tipp: Ähnliche Regenbogeneffekte lassen sich auch per Farbsplitting im Bereich „Set-Channels“ erzielen.
Chromatische Farben können moderne Effekte bei deinen Fotos und Videos erzeugen und sind ein beliebtes Mittel in der Film- und Videospielindustrie. Jedoch können die chromatischen Aberrationen auch als störend empfunden werden.
Bearbeite Abbildungsfehler, um die Bildqualität deiner Aufnahmen auf einfache Weise zu verbessern und unrealistisch wirkende Farbränder zu entfernen. Oder experimentiere mit den verschiedenen Effekten von chromatischen Farben und erstelle deinen eigenen Stil.
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